Das ist keine Einladung

Er fasst mich immer wieder an. Drängt mir sein Bier auf, obwohl ich ihm bereits gesagt habe, dass ich keinen Alkohol mehr trinken möchte. Meine Haut brennt von der Sonne und seine Berührungen fühlen sich dadurch noch schlimmer an. Meine mentale Abneigung gegen seine Hand auf meiner Schulter wird durch die realen Schmerzen auf meinem Körper noch verstärkt. Ich versuche ihm zu verdeutlichen, dass ich nicht von ihm angefasst werden möchte. Dass meine Nettigkeit keine Einladung  ist. Dabei merkt er in seinem Alkoholschleier nicht einmal, dass mir langsam Tränen in die Augen steigen. Erst als sein Freund einschreitet, lässt er von mir ab.

Diese Situation spielte sich letztes Jahr auf einem Festival ab. Wir lernten ein paar Leute vom Zelt nebenan kennen und freundeten uns für die Zeit auf dem Festival an. Eigentlich ist es schon lange her, fast vergessen. Wäre es eine Ausnahme gewesen. Nur ist es das leider nicht. Ist man als Frau regelmäßig oder auch nicht so regelmäßig auf Parties unterwegs, ereignet sich früher oder später sicherlich genau so eine Situation. Zwar hat man dann keinen Sonnenbrand, der dieses unwohle Gefühl in reale Schmerzen verwandelt, wenn dich dein Gegenüber anfasst, aber dennoch wird einem unwohl.

Angela hat mit ihrem Beitrag „Still not asking for it“ wieder auf das Problem der Vergewaltigung und des Victim Blamings aufmerksam gemacht. Dass man nicht Schuld ist, wenn etwas passiert, wenn man sich zu freizügig anzieht oder mit jemandem redet, der etwas falsch deutet. Doch wieso wird man angefasst, wenn man keine Signale sendet? Wenn man nicht einmal mit der Person redet, sondern nur mit seiner Freundin tanzt? Und wieso wird das Nein immer wieder überhört? Selbst wenn Freundinnen einschreiten und man die Abneigung sogar im Gesicht erkennen kann? Wieso werden Frauen nicht ernst genommen?

Wieso muss er seine Hand auf meine Hüfte legen, wenn er auf der Tanzfläche zu mir sprechen will, obwohl er mich nicht kennt? Wieso legt er seinen Arm um meine Schulter und versucht mich mit aller Gewalt zu küssen und wenn ich den Kopf nicht rechtzeitig weggedreht hätte, wäre es ihm auch noch gelungen? Wieso muss mir jemand im Vorbeigehen an den Po greifen, obwohl ich nicht ein Wort mit der Person gewechselt habe und es jetzt erst recht nicht tun werde? Ich frage nicht danach. Mein Outfit ist auch keine Einladung. Aber trotzdem tust du es.

Mir ist bewusst, dass der weibliche Körper immer mehr als ein Produkt, eine Sache, ein Ding angesehen wird. Die Industrie macht es uns ja sogar vor. Doch ich finde es so falsch, ich kann es gar nicht in Worte fassen. Ich bin es Leid. Denn wenn ich nett bin, wird es direkt falsch verstanden. Und wenn ich auf Abstand gehe, wird auch dies direkt falsch verstanden. Dass ich eine eingebildete Zicke bin und ein Resting Bitch Face habe. Egal, wie ich es mache, ich mache es falsch. Dabei versuche ich doch nur mich selbst irgendwie in Sicherheit zu halten. Aber gleichzeitig mag ich mich nicht eingrenzen, wenn ich doch gerne Leute kennenlerne und mich als offenen Mensch bezeichne.

Und da wären wir wieder, dass man das Problem bei sich sieht und sich versucht anzupassen, um dem Problem aus dem Weg zu gehen. Dabei liegt es nicht in meiner Hand, wem ich letztendlich begegne und was aus dieser Situation passiert. Ich bin nur der passive Gegenstand, die „Deko“, die herangezogen und verwendet wird, wenn mein Gegenüber gerade Lust hat. Und wenn ich mich dann doch widersetzen will, werde ich direkt beschimpft. Weil ich eine Szene mache. Aber wenn ich keine Szene mache, würde mein „nettes“ Nein nur wieder überhört werden.

Weil Nein bei Frauen Ja bedeutet und Ja auch Ja bedeutet und Vielleicht auch Ja bedeutet. Weil es ja eigentlich völlig egal ist, was Sie sagt. Sie steht ja immer noch neben dir und lässt dich machen. Dass ist wohl einladend genug. Allein ihre Existenz ist wohl eine einzige Einladung.

 

Eigentlich wollte ich diesen Artikel noch eine Weile ruhen lassen. Noch einmal drüberlesen und mich bereit fühlen, wenn ich ihn veröffentliche. Aber als hätte mich das Universum herausgefordert, geschah erst Gestern ein Highlight, das mich nicht länger warten lässt. Und auch wenn hier kaum Männer mitlesen und ganz sicher nicht bis zum Ende lesen, hoffe ich doch, dass ich irgendjemand damit erreichen kann.


Vita schreibt über ihre Erfahrungen und Erlebnisse als junge Frau. Sie erzählt seit 2012 von ihren Lieblingsmomenten, Wünschen und Rückschlägen. Der Blog "Vita Corio" ist ein persönlicher Lifestyle Blog, welcher Vita über all die Jahre hinweg begleitet.

  1. Susan

    22 Mai

    Sehr sehr gut geschrieben, liebe Vita!
    Ich habe mich letztens erst mit diesem Thema beschäftigt und
    ich kann sagen, dass ich deine Meinung zu 100% vertrete.

  2. Ich bin auch eine offene Person mir ist es bisher nur einmal passiert. Aber wenn mir jemand zu nah kommt oder mich ungefragt anfasst, trete ich der Person erst einmal heftig auf die Füße. Denn das ist ganz bestimmt niemand den ich kennen lernen mag. Wenn jemand schon meine Komfortzone nicht respektiert, dann respektiert sie mich auch nicht im Gespräch.

  3. Tabea

    22 Mai

    Das ist echt ein trauriger Text…
    Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mit diesem Problem noch nie konfrontiert wurde. Vielleicht ist es manchmal doch gar nicht so schlecht, wenn man eher unattraktiv und auch ca. 3 Jahre jünger wirkt… denn wer will schon was von einer komischen 14 Jährigen?

    Ich hoffe dennoch sehr, dass doch ein paar Männer in Zukunft merken, dass auch Frauen Nein meinen, wenn sie Nein sagen. Ich wünsche dir ganz viel Glück, dass du nicht noch mehr solcher Situationen durchstehen brauchst.

    Liebe Grüße

  4. Rachel

    22 Mai

    So gut, ehrlich und auf den Punkt gebracht geschrieben. Danke dafür.
    Ich hoffe es erreicht die, die es erreichen muss. Ich hoffe es geschieht ein Umdenken, in diesen Köpfen.
    Denn auch ich bin es leid beim Tanzen auf der Hut zu sein, um nicht falsche Andeutungen zu machen.

  5. Sabine

    23 Mai

    Ich bin bei solchen Begegnungen inzwischen so auf 180, dass ich denjenigen wegschubse oder sogar zuschlage. Auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren ist auf einer philosophischen Ebene vielleicht der falsche Weg und sicher nichts was ich grundsätzlich gut finde, aber in der Clubrealität ist es fast der einzige Weg, der noch zieht – wie du sagst, auf ein höflich-bestimmtes „Nein“ wird da gar nicht eingegangen. Und wieso sollte ich auch nett und distanziert bleiben, wenn jemand im Club hinter mir vorbeigeht und mich in den Arsch zwickt? Bei mir knallt es da inzwischen postwendend. Manche Typen lachen auch dann noch über mich „Zicke“ – aber so mancher erschrickt sich wenigstens ein bisschen.

    • Vita

      23 Mai

      Bei mir kommt es da immer auf meine Tagesform an. Wenn ich total pissig sein will, mache ich Kerle gerne schonmal zur Sau, wenn sie mich nur anrempeln. Und manchmal fehlen mir selbst die Worte, wenn es krasser wird. Finde deine Reaktion da auch gar nicht falsch, was soll man sonst tun? Denn egal, wie mans macht: Man macht es ja falsch. Daher ist das nicht verwerflich.

  6. Sandra

    23 Mai

    übertreib mal nicht.. festivals sind halt festivals. wenn du damit nicht klar kommst, geh eben nicht hin

    • Vita

      23 Mai

      Wow, hast du außer die ersten Zeilen überhaupt weitergelesen? Es geht nicht um Festivals, sondern wie mit Frauen umgegangen wird. Und da hilft auch keine Aussage wie „Festivals sind halt Festivals“. Echt schade!

    • Kaja

      26 August

      Ist das dein verdammter Ernst? Soll man sich als Frau deiner Meinung nach also zu Hause einsperren? Halt dein dummes Maul, wenn nur solch verachtende Aussagen dabei rauskommen. Herzlichen Glückwunsch dazu, dass du so super locker bist und sowas ganz easy als Bestätigung abtust (in sofern dir sowas überhaupt schonmal wiederfahren ist) :D so haben Frauen zu sein, Bravo!

  7. Rob

    23 Mai

    Bin ein Mann.
    Habs bis zum Ende gelesen.
    Bin peinlich berührt.
    Diese Situation kommt in jeder erdenklichen Konstellation vor. Ist immer unwürdig – für alle Seiten.

    LG,
    Rob

  8. Manon

    24 Mai

    Ich bin so eine, die weggeht. Wieso mir unnötig Stress machen? Es lohnt sich nicht zu diskutieren und weil er nicht aufhört, suche ich mir einen anderen Platz, weil ich es schön haben will. Mir persönlich ist das noch nie passiert, kann es jedoch sehr gut nachvollziehen von Männern nicht ernstgenommen zu werden.

  9. Yoyó

    4 September

    Bin über deinen Kommentar bei Cats & Dogs hier gelandet. Echt unglaublich, wie viele Frauen solche Erfahrungen immer wieder (!) machen müssen. Es macht mich so wütend. Und traurig. Egal wie man sich verhält: Frau macht es falsch. Wie du es eben auch geschrieben hast. Deswegen ist es auch so wichtig, immer wieder darüber zu schreiben und zu sprechen. Es ist noch so viel Aufklärungsbedarf vorhanden, da muss man einfach was tun.
    Hier übrigens auch mein Post dazu, wenn du Lust hast, reinzulesen: http://www.eros-and-psyche.com/2016/04/kolumne-5-fass-mich-nicht-90s-revival.html

    • Vita

      5 September

      Danke dir, ich lese sofort rein! Es ist wirklich immer wieder erstaunlich, wie manche Menschen denken und was manche als Okay ansehen…habe mittlerweile kaum noch Worte dafür.

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