Was ich nicht erlaubte

Ich tanze, entkomme meinen Gedanken. Fühle den Bass und fühle eine Hand. Eine Hand an meiner Schulter, an meiner Taille, an meiner Hüfte. Ich fühle zwei Hände. Ein Körper, der sich viel zu eng an mir vorbeischiebt. Ich fühle etwas Steifes. Ich sehe so viele Menschen, aber keine Gesichter. Ich spüre den Atem voll Alkohol an meinem Ohr. Ein beschützender Arm legt sich um mich, so soll es jedenfalls scheinen.

Man zwinkert mir zu. Man frisst mich mit Blicken. Man spricht mich an. Immer wieder. Ich verdränge. Ich konzentriere mich auf die Musik. Auf den Bass. Auf den Spaß, den ich eigentlich haben will. Ignoriere alle Blicke und alle Berührungen. Schiebe Hände und Körper von mir weg. Schubse sie weg. Schlage sie weg.

Der Abend ist noch nicht vorbei, aber ich möchte nach Hause. Ich gehe aus dem Club. Gehe alleine, weil ich meiner Freundin den Spaß nicht rauben will. Von allen Seiten werde ich angesprochen. Ob ich ein Taxi will. Dass so ein schönes Mädchen wie ich nicht alleine nach Hause gehen sollte. Dass ich nur einen Kuss teilen muss, um umsonst nach Hause gefahren zu werden. Dass es gefährlich ist nachts.

Gleichzeitig schieben sich Körper an mir vorbei. Hände fahren meine Arme entlang. Autos hupen mich an. Roller fahren mir hinterher. Ich bin den Tränen nah. War dies schon im Club. Dabei hatte ich eigentlich nur etwas im Auge. Doch das ist schon längst vergangen. Noch während die erste Träne fließt, höre ich wieder Worte. Niemand sieht mein Gesicht. Jeder nur meinen Körper. Meine roten Lippen verführen. Meine kurze Kleidung reizt auf. Dabei sind es 30°C und die Wahl meiner Kleidung mehr als pragmatisch.

Endlich bin ich zuhause. Meine Hände zittern, während ich die Tür öffne. Ich reiße sie auf. Atme auf. Endlich weg von all den Menschen. Weg von der Masse. Weg von den Berührungen und den Worten. Ich atme immer wieder ein. Viel zu schnell und viel zu viel. Meine Tränen fließen immer schneller. Ich bekomme kaum Luft, obwohl meine Lungen voll mit ihr sind. Viel zu voll. Mein ganzer Körper zittert. Es ist drei Uhr nachts. Ich kriege mich nicht mehr ein. Weine. Weine immer mehr. Atme immer mehr. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich breche zusammen.

Ich gehe duschen. Will mir all die Berührungen abwaschen. Will all die Worte vergessen. Das heiße Wasser beruhigt mich. Ich kann meine Tränen nicht mehr vom fließenden Wasser unterscheiden. Ich habe wieder die Kontrolle. Meine Panik ist weg. Verloren in den Weiten des Bettes komme ich wieder zu mir. Meine Tränen bemerke ich nicht mehr.

Noch nie hatte ich einen Abend, an dem es mir zu viel wurde. Noch nie wurde ich so oft angesprochen, berührt und objektifiziert. Ich genieße die Einsamkeit, bin froh, dass nur noch mein Bett mich berührt. Ich lenke mich ab, rede mir gut zu. Bald bin ich weg, denke ich mir. Nur noch ein Tag. Dabei weiß ich, dass ich nicht fliehen kann.

12.04.17


  1. Das klingt nach einem schrecklichen Abend, den du unheimlich emotional beschrieben hast… Tut mir leid, dass du so etwas erleben musstest!
    LG Scarlet (von https://scarlettheredsite.wordpress.com/ )

  2. Franzi

    11 Juni

    Beim lesen hatte ich echt Gänsehaut bekommen. Klingt nach einem furchtbaren Abend..

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