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Wie ich das Leben alleine meistere, oder auch nich...

Wie ich das Leben alleine meistere, oder auch nicht

Zwei Monate hat es gedauert, bis ich Zahnstocher bei Rewe entdeckte. Seit Oktober laufe ich mit einem verstauchten Mittelfinger herum, der einfach nicht abheilt, nachdem ich mich mit dem Fahrrad lang gelegt hatte. Dem Fahrrad, das es jetzt nicht mehr gibt, weil es mir zwei Wochen später geklaut wurde. Ich kann eine Handvoll Gerichte kochen und suche immer wieder nach Möglichkeiten nicht zuhause kochen zu müssen. Meine Heizung ist dauernd aufgedreht und es sind kuschelige 23°C in meiner Wohnung. Beim Trampolin Springen vor zwei Monaten bin ich mit meinem kleinen Zeh in einer Masche hängen geblieben und er schmerzt immer noch. Vor einem Gang zum Arzt drücke ich mich seit Wochen. Ich kann mich nicht entscheiden, welchen WC Reiniger ich kaufen soll, obwohl alle wohl die gleiche Wirkung haben. Im Aldi finde ich den Schmelzkäse nicht und ich muss meine Mutter anrufen, um sie zu fragen. Ich gehe hungrig einkaufen und nach dem Essen frage ich mich manchmal, was für einen Mist ist da gekauft habe. Ich verschlafe den halben Tag, weil ich die Nacht durcharbeite, feiere oder der Seriensucht verfalle. Mein Schlafrhythmus ist das reinste Chaos. Obwohl ich nur drei Tage Uni habe, schaffe ich kaum etwas an den anderen Tagen.

Ich lebe alleine. Und ich schaffe nicht alles so, wie ich es mir vorgenommen habe. Mir passieren immer wieder Missgeschicke und ich muss nachfragen, googlen, suchen und verbrauche viel Zeit dafür. Die ersten Wochen habe ich eine halbe Ewigkeit für einen Einkauf gebraucht, weil ich die Produkte einfach nicht gefunden habe. Ich bin vorher nie großartig einkaufen gegangen und kann nicht ahnen, dass der Tomate-Mozzarella-Aufstrich neben dem Fleischsalat liegt. Ich starre meine Bahn-App im Handy immer wieder an, weil ich andauernd vergesse, wann die Bahn kommt und wo ich überhaupt aussteigen muss. Mein sonst so guter Orientierungssinn hat den Geist aufgegeben, als ich im Dunkeln von der Bahn zu einer Freundin gehe. Wenigstens komme ich zur Besinnung bevor ich dem Stadtteil den Rücken kehren kann. Ich bin 40 Minuten durch Köln getuckert, weil meine S-Bahn ausfiel – danke nochmal hierfür liebe GDL. Ich komme nicht auf den Mindestbestellwert beim Lieferdienst, weil ich alleine lebe. Vor Faulheit verzichte ich dann manchmal ganz aufs Essen, oder ich nasche. Ich laufe lauthals gegen eine Laterne, weil ich rückwärts gehe und mich dann mit Schwung umdrehe. Mindestens einmal die Woche stolpere ich über meine eigenen Füße, weil ich darin vertieft bin etwas in mein Handy zu tippen – aber das ist mir auch schon vorher passiert. Ich schaffe es meine Eier zu versalzen, weil ich jodiertes Salz mit Meersalz verwechsele. Mein Kühlschrank ist halbleer, während meine Gefriertruhe andauernd überfüllt ist – Tiefkühlprodukte gehen mir nun einmal leichter von der Hand. Wochenlang warte ich auf meinen Internetanschluss, vergeblich.

Ich mache noch vieles falsch, fliege oft mal auf die Nase und verzweifle hin und wieder. Aber ich bessere mich stetig, wenn auch langsam. Wie ihr sehen könnt, läuft auch bei mir so einiges schief. Wieso ich euch davon berichte? Weil ich möchte, dass ihr seht, dass kein Leben perfekt ist. Auch wenn man sich nach außen so gibt, so steckt hinter einer Fassade immer viel mehr. Dennoch geht es mir gut und ich bin glücklich. Schließlich gehören solche Momente zum Leben. Denn wie könnte man wissen, dass etwas gelingt, wenn nie etwas schief geht? So ist das einfach mit dem Leben.


  1. Anna Sofie

    18 Januar

    Richtig schöner Post.
    Ich bin froh, dass es dir gut geht und du glücklich bist. Und ich kann bis heute nichts kochen obwohl ich 3 Jahre mit einem Koch zusammengewohnt habe. Diesen Luxus, dass er immer gekocht hat…:/. Ich selbst war zu faul mir mal was abzuschauen.
    Und es ist völlig ok und normal im Supermarkt mal länger zu brauchen und alles;).
    <3 glg

  2. Der Text ist so schön!!! :) Ich find Ihn echt super und mir würde es genauso ergehen, wenn ich alleine leben würde :)

    <3

  3. Judith

    18 Januar

    Haha, das kenne ich alles :D Aber ganz ehrlich, ich lerne so etwas lieber jetzt, wo ich noch jung bin als erst super spät von Zuhause auszuziehen.

  4. Carina

    18 Januar

    Toller Post und in einigen Dingen kenne ich mich total wieder – ich wohne nämlich auch seit September alleine. Besonders das mit dem Schlafrhytmus kommt mir bekannt vor. Bis 2 Uhr morgens wach und erst Mittag mal aufstehen, dann das Gefühl haben, dass der Tag eh schon „fast vorbei ist“ und erst recht wieder nichts sinnvolles machen. Ach ja, das Leben als Studentin ist halt doch nicht immer leicht ;-)
    Alles Liebe, Carina

    http://www.thegoldenavenue.com

  5. Rachel

    18 Januar

    Danke für deine Ehrlichkeit, liebe Vita. Ich wohne nun ein halbes Jahr nicht mehr bei meinen Eltern und mir geht es wie dir. Zwar wohne ich nicht alleine, habw sogar zwei ältere Mädles bei mir, die mich in vielen Dingen liebevoll beraten, aber trotzdem geht noch so einiges schief. Ich will nicht wissen wie oft ich Essen vergessen habe, bis es schimmelte, und mir nur irgenetwas zum Mittag kaufe, weil alleine Kochen keinen Spaß macht, oder ich immer noch vor dem riesigen Käseregal stehe und einfach nicht weiß welche Käsesorte das beste Preis-Leidtungsverhältnis hast… Man könnte noch mehr aufzählen, aber du hast recht ich bin trotzdem glücklich oder gerade wegen diesen so kuriosen Erlebnissen.
    Alles Gute dir, Rachel
    PS: Ich hab es nach einem halben Jahr endlich geschafft Arzttermine auszumachen. Du schaffst das auch noch :-D ;-)

  6. herzballon

    18 Januar

    Danke für diesen Text und deine Ehrlichkeit.
    Ich finde es immer wieder schön, wenn Blogger auch einen Einblick in den nicht perfekten Teil ihres Leben gewähren.
    Anneke ♥

  7. Kato

    19 Januar

    Hey Vita, danke für die Ehrlichkeit – ich glaube, so ging es aber fast allen Erstis. Mir auch :D Auszuziehen und auf eigenen Beinen zu stehen ist anstrengend, bringt dich aber auf jeden Fall weiter. Ich wünsche dir ganz viel Spaß & Erfolg im Studium :) Liebe Grüße, Kato

  8. Carolin

    19 Januar

    Musste gerade echt schmunzeln, denn bei vielen der hier genannten Sachen geht es mir genauso. Toller Post! :)

  9. Neele

    19 Januar

    Ohh liebe Vita, das klingt irgendwie niedlich :D

    Als ich zeitweise in einer WG gewohnt habe, haben sich meine Essgewohnheiten total verschlechtert :D Der Lieferservice war unser bester Freund und generell mussten wir es total ausnutzen, was und wann wir wollten zu essen… Man muss halt ganz viel lernen, aber sei doch froh, dass du es jetzt tust und nicht erst irgendwann nach deinem Studium.
    Jetzt wo ich wieder Zuhause wohne vermisse ich manchmal dieses Selbständige, aber das werde ich noch früh genug wieder haben :)

  10. Jana

    19 Januar

    Hihi ein sehr lustiger und ehrlicher Beitrag!
    Musste so oft schmunzeln und habe mich auch wiedererkannt. Wohne ja jetzt seit über einem halben Jahr mit meinem Freund zusammen. Wie viel wir anfangs wegschmeißen mussten, weil wir zu viel gekauft haben etc. Ist echt schade, aber das pendelt sich irgendwann ein :)
    Und die Tollpatschigkeit an sich ist eben ein Charakterzug, der einen doch sehr sympathisch rüberkommen lässt ;)
    <3

  11. Hanna

    19 Januar

    Tut total gut so einen ehrlichen Post zu lesen! Ich musste immer wieder schmunzeln, weil so vieles was du beschrieben hast ich sein könnte. Super sympathisch. Und ich bin mir sicher, dass du das alles noch auf die Reihe kriegst. Mit bisschen Chaos. Denn ohne Chaos wäre es doch wirklich ein bisschen langweilig. :)

    Liebe Grüße, Hanna von https://hanna0irresolutely.wordpress.com

  12. Neri

    21 Januar

    Super sympathisch, liebe Vita!

    Neri

  13. Mona

    25 Januar

    Salut!
    Ach herzallerliebst hast DU da geschrieben, was mir am Anfang meines Allein- Lebens auch passiert ist.
    Aber es geht alles so schnell und jetzt möchte ich auf keinen Fall mehr zurück in das „alte Leben“. Außer wenn ich krank bin. Oder schlechte Laune habe. Oder keinen guten Tag habe. Dann würde ich mich wahnsinnig gerne zu Mama auf die Couch kuscheln und mir den Kopf tätscheln lassen. Ätsch Bätsch, geht nicht.

    Dann lieber die Anlage aufdrehen und mitsingen. Stört nämlich keinen mehr;)

    Liebst,

    Mona von Fleur&Fatale

  14. Vivien

    25 Januar

    Ein schöner, lustiger Beitrag – ich lebe zwar nicht alleine, aber manches kann ich mir gut vorstellen!

  15. eleonora

    31 Januar

    Schöner Text! Ich lebe jetzt schon seit einem halben Jahr alleine und bei mir geht immer noch alles drunter und drüber :D

    Liebe Grüße,
    Eleonora

    *eleonorasblog*

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