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Nur weil ich weine, bin ich nicht schwach

Nur weil ich weine, bin ich nicht schwach

Ich telefoniere mit meiner Mutter und werde immer wütender über eine Situation, die ich einfach nicht ändern kann. Und dann passiert es: Ich fange an zu weinen. Meine Mutter hört mich zwar nur, aber sie merkt, wie meine Stimme wegbricht, zittert und wie ich meine Nase hochziehe. Sie möchte mich trösten und sagt mir, dass es doch nicht so schlimm sein und ich nicht zu weinen brauche. Aber ich weine nicht, weil ich traurig bin. Ich weine, weil ich so wütend bin.

Wie häufig habe ich früher geweint, wegen so vielen kleinen Dingen. Selbst ich dachte immer, dass ich in diesen Momenten traurig war, aber in Wahrheit war ich einfach nur unglaublich wütend. Ich kochte nahezu vor Wut, weil der Arzt mich innerhalb weniger Minuten abgespeist hat und mich vorher eine halbe Stunde im Wartezimmer hat warten lassen. Weil ich mit meinem Vater stritt und wir einfach nicht auf einen Nenner kamen. Weil ich mich so um eine Freundschaft bemüht habe und ich dann schrecklich hintergangen wurde. Nie war ich wirklich traurig, sondern einfach wütend.

Oft werden Tränen mit Schwäche assoziiert. Aber sind Tränen nicht auch etwas Schönes? Man kann sein Mitgefühl zeigen, seine Freude und seinen Stolz. Und dass alles nur mit ein paar kleinen Tropfen, die da im Gesicht runterfließen.

Manchmal sagt meine Mutter, dass ich einfach sehr empathisch bin. Denn ich weine nicht nur, wenn ich wütend bin, auch wenn ich mit anderen Menschen mitfühle, bleiben die Tränen nicht lange aus. Ich finde, es ist eine schöne Art zu zeigen, wie wichtig einem dein Gegenüber doch ist, auch wenn man es in dieser Situation gar nicht merkt.

Deshalb sind Tränen für mich nichts Verwerfliches. Man ist kein Schwächling, nur weil einem während einer Diskussion einmal die Tränen kommen. Genauso wenig ist man gefühllos, wenn man eben nicht so häufig weint. Jeder Mensch ist anders gestrickt und an diejenigen, die nah am Wasser gebaut sind: Auch Tränen zeigen Stärke.


Vita schreibt über ihre Erfahrungen und Erlebnisse als junge Frau. Sie erzählt seit 2012 von ihren Lieblingsmomenten, Wünschen und Rückschlägen. Der Blog "Vita Corio" ist ein persönlicher Lifestyle Blog, welcher Vita über all die Jahre hinweg begleitet.

  1. Aileen

    12 April

    Wirklich schöne Gedanken, die du da beschreibst :) Ich weine auch schnell und häufig. Familie und Freunde sagen oft ich wäre ’nah am Wasser gebaut‘ und so ist es auch, aber genau wie du, weine ich auch oft weil ich einfach wütend oder enttäuscht bin :) Dennoch machen mich meine Tränen nicht schwach, sondern sehr viel stärker als manch anderen :)

    Liebst,
    Aileen <3

  2. Was für ein schöner Text, Vita! Du schreibst wirklich so toll <3
    Ich kenne das nur zu gut. Ich weine auch sehr oft wenn ich wütend bin und werde dann gleich doof angeschaut und fühle mich schwach. Dabei ist man das ja gar nicht und ich finde schade, dass viele Menschen das nicht verstehen.

  3. Lisa

    12 April

    Ich kann immer nur ja sagen zu alles was du schreibst! Ich fange eigentlich sofort an zu weinen wenn ich wütend bin! Und all zu oft wird das tatsächlich mit Schwäche gleichgesetzt! Schlimm war auch als meine Mutter bei einem Streit meinte ich würde mit Absicht heulen damit sie Mitleid mit mir hat! Dabei war ich einfach nur furchtbar wütend auf sie! Irgendwann hat sie dass dann aber verstanden! Manchmal wünschte ich nur es würde nicht so schnell aus mir heraus brechen. Man sieht eben sofort das mich die Situation emotional trifft und dabei würde ich lieber ein Pokerface wahren…. aber so ist das eben und ich kann es eh nicht ändern!

  4. Kezia

    12 April

    Oh ja! Ich dachte auch immer, dass Tränen ein Zeichen von Schwäche sind, aber inzwischen weiß ich auch, dass sie manchmal aus Verzweiflung heraus entstehen. Meine Tante meinte vor ein paar Wochen zu mir, als ich völlig aufgelöst bei ihr im Wohnzimmer saß, weil mein Freund Schluss gemacht hat, dass sie mich nicht ansehen könnte, weil sie mich das letzte Mal mit drei Jahren hat weinen sehen. Ich fand das irgendwie schlimm zu hören, weil es zeigt wie viel man manchmal einfach in sich hinein frisst ._.
    Und jetzt bin ich sowieso grundsätzlich am Weinen. Aus Verzweiflung, aus Wut, aus Mitgefühl .. Manchmal geht es halt nicht anders und ich finde auch, dass Tränen öfters auch mehr aussagen :)

    Ein sehr schöner Text auf jeden Fall und ein tolles Bild dazu :)

  5. Alexandra

    13 April

    Ich kenne das nur zu gut – sobald ich in einem Sreit oder einer Dikussion merke, dass ich eigentlich umsonst kämpfe, fange ich an zu weinen. Aber auch nicht, weil mich das traurig macht, sondern eben weil ich so verzweifelt und wütend bin, dass dieses Gefühl irgendwie raus muss. Tränen sind für mich mutig. Wir zeigen uns von einer sehr veletzlichen und emotional sehr instabilen Seite – und das ganz offen. Wir zeigen, dass wir genaus fühlen wie andere. Das ist doch alles andere als schwach! :)

  6. Hallo Vita,
    vor vielen Jahren gab es bei einer meiner Arbeitsstellen richtige Intrigen (leider von Frauen untereinander). Mir sind dann bei einer Gelegenheit vor Wut die Tränen gekommen. Ich muß zugeben, in diesem Moment habe ich mich sehr schwach gefühlt. Aber normalerweisen sind Tränen etwas gutes. Vor allem dann, wenn es um mitfühlen geht.
    Ich wünsche dir eine schöne Woche.
    Karin

  7. Lilly

    13 April

    Wirklich toller Post!
    Mir ging es als Kind und geht es auch immer noch ähnlich wie dir. Ich weine nicht nur, wenn ich traurig bin, sonder auch vor Wut, Mitgefühl oder Freude. Oft wird man deswegen als Heulsuse, schwach oder „Baby“ abgestempelt. Dabei zeigt man doch eigentlich wahre Stärke, in dem man zulässt, dass andere sehen können, dass nicht immer alles perfekt ist.
    Liebst,
    Lilly

  8. Carolin

    13 April

    Ich bin auch jemand der weint, wenn er wütend ist. Und das obwohl ich eigentlich nicht besonders nah am Wasser gebaut bin. Manchmal bin ich einfach so sauer, dass ich mir nicht mehr zu helfen weiß und dann kullern die Tränen.

  9. Sabrina

    17 April

    Wunderbar geschrieben und so wahr!
    Ich bin immer wieder erstaunt wie gut deine Texte zu mir passen :)
    Liebe Grüße Sabrina

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