Liebe Frauen, genau in solchen Momenten, wie diesen, da müssen wir zusammenhalten. Wir müssen unsere Meinung aussprechen und uns gegen all die falschen Anschuldigungen und das Victim Blaming hinwegsetzen. Wir sind es den anderen Frauen schuldig. Den Frauen, die hinter Mülleimern vergewaltigt werden. Den Frauen, deren Vergewaltigungen Klick-Hits im Internet sind. Und den Frauen, die den Mut finden, öffentlich von ihren schlimmsten Erinnerungen zu berichten und ihnen dann doch nicht geglaubt wird.
Victim Blaming/Shaming (dt. Opferbeschuldigung): Beschreibung für ein Vorgehen, das die Schuld für eine Straftat beim Opfer sucht.
In den letzten Tagen konnte ich über keine Banalitäten, wie meine Beauty-Favorites oder mein letztes Outfit schreiben. Denn statt mir Beiträge über das schöne Leben durchzulesen und meine Wunschliste aufzufüllen, habe ich erschreckende Texte über Rape Culture, Victim Blaming und Co. gelesen. Ich bin aufgewacht und habe meine Augen nicht länger verschlossen. Und was ich las, war erschreckend.
Um einige Nachrichten zu nennen:
- Brasilien: Rund 30 Männer vergewaltigen 16-jähriges Mädchen (Video kursiert im Internet)
- Deutschland: Gina-Lisa Lohfink von zwei Männer vergewaltigt, Beweisvideo vorhanden, doch trotzdem soll sie wegen Falschaussage 24.000 Euro Strafe zahlen
- USA: Stanford-Student vergewaltigt 23-Jährige und bekommt eine Strafmilderung (6 Monate Gefängnis statt 6 Jahre), da es sonst einen schlechten Einfluss auf seine Zukunft hätte (Er ist Elite-Schwimmer).
Wer nun absolut keine Ahnung hat, den bitte ich: Googlet es und lest die grausamen Schicksale. Auch wenn es schlimm ist, dass erst wieder darüber berichtet werden muss, damit die Leute wieder hinschauen, so hat es auf der anderen Seite doch auch (leider) positive Aspekte. Man wird wieder aufmerksam. Rape Culture ist real, so schade es auch ist. Immer wieder kommen Straftäter damit durch und immer wieder wird die Schuld am falschen Ende gesucht.
Rape Culture: Gesellschaftsformen, in denen sexuelle Gewalt und Vergewaltigung verbreitet sind und weitgehend toleriert oder geduldet werden.
Wenn die komplette Vergangeheit der Opfer aufgerollt wird und nach Gründen gesucht wird, warum SIE es verdient hat, dann läuft gewaltig etwas schief. Wir als Frauen, wir sollten uns kleiden und verhalten dürfen, wie wir wollen. Ohne Angst zu haben, dass wir Männern eventuell falsche Zeichen senden. Wir sind kein Spielzeug, das danach schreit, dass man damit spielen soll. Wieso muss ich auf dem Heimweg nach dem Feiern ständig nach rechts und links schauen und im besten Falle ein Tränengas-Spray mit mir führen? Wieso muss ich mich schützen, wenn es normal sein sollte, dass ich mich in der Öffentlichkeit bewegen kann ohne Angst zu haben?
In den letzten Tagen habe ich so viel Solidarität zwischen Frauen gelesen. Ich bin glücklich, dass viele den Mund aufmachen und die Opfer unterstützen. Aber nicht selten lese ich Kommentare, die doch tatsächlich von Frauen kommen und erklären, dass nicht immer der Täter Schuld sein kann. Dass man als Frau eben auch selbst auf sich und das eigene Auftreten achten muss. Dass wenn man einmal Ja gesagt hat, dass deinem Gegenüber das Recht gibt über dich zu bestimmen. Auch wenn du später Nein sagst, schließlich hast du einmal zugestimmt und das reicht. Dass Alkohol Schuld daran sein und man halt Pech hat, wenn man zu viel trinkt. Was erwartet man denn? Schließlich war man betrunken.
Doch das Schlimmste ist wohl, wenn man sich als Opfer an nichts erinnern kann und einem tatsächlich Worte in den Mund gelegt werden. Man habe es gewollt, auch wenn man nicht ansprechbar war und schon nicht mehr auf eigenen Beinen stehen konnte. Doch wie soll man etwas gewollt haben, wenn man nicht mehr bei Sinnen war? In welcher Welt ist es normal, einen Menschen, so auszunutzen, statt sich um die Person zu kümmern?
Aber es gibt noch viel mehr Absurditäten. Wem von euch wurde schon empfohlen „Feuer“ zu rufen, wenn man belästigt wird, statt nach Hilfe? Wem wurde schon nachgesagt, dass man eine Schlampe ist, weil man einen Korb gegeben hat und somit eigentlich das Gegenteil sein müsste? Dass man es als Kompliment nehmen soll, wenn man unangenehme Kommentare zu seinem Aussehen bekommt und man sich komplett unwohl dabei fühlt? Dass Männer tausend Witze über verrückte Freundinnen haben, aber Frauen keinen einzigen? Dass die Aussage „Ich habe einen Freund“ mehr Wert ist, als einfaches Desinteresse zu zeigen? Dass ihr beim ersten Date euren Freundinnen detailliert erklärt, wo wie wann ihr euch trefft, damit sie euch im schlimmsten Falle schnell finden?
Wieso ich darüber schreibe? Weil ich wütend bin. Unfassbar wütend. Ich bin wütend darüber, dass sich Menschen Rechte gegenüber andere Menschen rausnehmen, die sie niemals besitzen dürften. Dass es selbst noch im 21. Jahrhundert zu solchen Situationen kommen kann. Dass dadurch andere Opfer verschüchtert werden und sich deshalb nicht trauen mit ihrem Schicksal an die Öffentlichkeit zu gehen. Dass nicht einmal Frauen hinter Frauen stehen. Dass die Zukunft der Täter wichtiger ist, als das gesamte Leben des Opfers. Über all diese Dinge bin ich wütend. Deshalb muss dieser Beitrag auch keinen Sinn machen und er ist auch auf keinen Fall objektiv geschrieben. Das hier ist meine Meinung, die ich vertrete.
Ein weiterer Beitrag, der sich um dieses Thema dreht, jedoch mit persönlicheren Erlebnissen, habe ich bereits unter „Das ist keine Einladung“ veröffentlicht. Weil mein Verhalten, meine Kleidung und meine Existenz keine Einladung für dich ist.
Tasmetu
10 Juni
Wow, ich habe gerade ein bisschen Tränen in den Augen. Weil du sehr gut zusammengefasst hast, über was auch ich schon sehr lange und immer wieder nachdenke. (Habe auch selbst eine Kolumne auf Edition F dazu geschrieben -> Stummer Schrei. Und überlege auch auf meinem Blog noch einmal darüber zu berichten weil es einfach so ein wichtiges und komplexes Thema ist) Weil es wahr es. Weil wir immer behaupten, wir seien freie moderne und emanzipierte Frauen, aber in Wirklichkeit gibt es noch genug Männer da draußen die ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass sie uns besitzen können. Dass ein „Nein“ nichts wert ist. Dass selbst wenn kein explizites „ja“ kommt es gegenseitig ist. Dass wir keine eigenständigen Menschen sind. Sie behaupten das Gegenteil und denken im schlimmsten Fall dass ihre eigenen Aussagen stimmen, dabei ist es nicht so.
Vielen Dank, dass du über so etwas berichtest. Ich hoffe es öffnet einigen die Augen und sorgt für mehr Zusammenhalt und weniger Victim Blaming.
Jana
10 Juni
Unterschreibe ich genau so!
Ich versuche seit Tagen auch schon einen Post zu dem Thema zu schreiben, hab aber eigentlich so viel dazu zu sagen, dass ich schon gar nicht erst weiß, wo ich anfangen soll.
Was mich übrigens auch noch wütend macht, ist, dass ich annehme, dass die meisten – vor allem Frauen – gar nicht wissen, was sie da tun, wenn sie zB wie Bonnie Strange gestern, sagen, dass eine Vergewaltigung ja schlimm wäre, aber man als Frau doch auch bitte keine Sexfilmchen o.ä. drehen sollte, weil man ja nie weiß, was irgendwelche Arschlöcher damit machen. Da sie sich dann später rechtfertigte, sie wolle ja gar nicht „judgy“ sein, „aber…“ zeigt mir nur deutlich, dass sie und vermutlich viele andere gar nicht erst wissen, wo zB Victim Blaming anfängt und das ist so verdammt traurig und ich hoffe wirklich wirklich sehr, dass wir irgendwann in einer Gesellschaft leben, die Frauen so respektiert, wie sie sind, wie sie aussehen oder welchen Beruf sie ausüben und man, wenn ihnen etwas passiert, nicht mehr in der Vergangenheit nach „Fehlern“ sucht, die das, was ihnen passiert ist rechtfertigen, sondern lediglich sagt, dass nur (!) Sexualstraftäter für Sexualstraftaten verantwortlich sind und nichts und niemand sonst diese auslöst.
Jean
10 Juni
Liebe Vita,
DANKE für deine Worte. Du hast die Thematik perfekt zusammengefasst und den richtigen Ton getroffen. Chapeau!
Liebe Grüße, Jean
http://jean-abovetheclouds.com
Tabea
10 Juni
Also zunächst möchte ich dir meinen Respekt für diesen Text aussprechen! Das Thema ist wirklich wichtig und ich finde ebenfalls, dass die heutige Situation im Bezug darauf eine Schande ist.
Ich finde, es muss immer Schuld beim Täter gesucht werden und gerade Menschen, die vielleicht nicht voll zurechnungsfähig sind, da sie beispielsweise getrunken haben, sollte man schützen, statt sie auszunutzen, zu bedrohen oder zu verurteilen!
Wut verspüre ich allerdings eher weniger… bei mir äußert sich das eher in Trauer. Und Unverständnis, denn ich bin der Meinung, dass es genug Bildung gibt, sodass jeder Mensch wissen kann, dass Frauen genau so für Würde haben wie Männer und dass man diese nicht verletzen sollte.
Liebe Grüße
Jessica
11 Juni
Sehr guter Beitrag. Besonders das Hangover Bild finde ich sehr gut! Ich lese es immer wieder, „Naja mit dem Outfit“. Mit dem Outfit was? Als ob ein Mann stirbt, wenn er nicht befriedigt wird. Das ist nicht wie Hunger, Durst, Atemnot, Sex sollte nur Vergnügen sein, und nichts, was sich irgendwer einfach so nehmen kann weil ihm danach ist. Es ist auch wie Tanja Tischewitsch, die immer noch in Hotpants und Kleidern spazieren geht, obwohl sie ein Kund hat. Obwohl? „Eine Mutter hat sich nicht so anzuziehen.“ Ach so? Wieso nicht? Wieso werden Frauen immer noch nicht gleich gesehen und behandelt wie Männer, ich verstehe nicht, wieso es heute immer noch so sein muss. Ich denke, inzwischen sollte es doch bei jedem angekommen sein, irgendwie…