Wir kennen es alle und trotzdem tun wir es – zu viel Grübeln. Overthinking. Eigentlich läuft alles super. Ich habe tolle Freunde, meine Familie unterstützt mich, ich ziehe in eine neue Stadt und habe dort schon eine schöne Wohnung, einen Job und bin bereit für das Neue. Ich habe keinen Grund zu Grübeln, ich kann mich zurücklehnen und den Moment genießen. Dennoch stehe ich heute Morgen unter der Dusche und denke an Gestern Abend. Wie ein Gast mich anmeckert, dass sein Chardonney ja noch fehle. Tut mir leid, bei 100 Leuten, die gleichzeitig bestellen, dauert es länger als 5 Minuten bis der Wein kommt. Und wenn alle im Weg stehen, weil sie spontan Lust auf eine Stehparty haben und ich nicht durchkomme, verzögert es sich nunmal etwas. Zugegeben Gestern war ein Ausnahmezustand. Abitreffen nach 20 Jahren. Da hat man sich viel zu erzählen und bewegt sich schneller hin und her als die Kellnerin gucken kann. „Wer hatte das Bier?“ Keiner antwortet. „Wenn’s niemand will, kann ich es nehmen“, sagt er. Erleichtert gebe ich ihm das Bier. Wenige Minuten kommt meine Chefin: „Vita, hast du dem Herren das Bier schon gegeben?“ Das Bier hatte jetzt schon wer anders. Wie sich herausgestellt hatte, war der verehrte Herr eine rauchen, während ich mit seinem Bier zwischen 100 Menschen stand.
Ich fange an über alles nachzudenken, was Gestern schief gelaufen ist. Im Endeffekt hat sich doch noch alles geklärt, aber irgendwie bleibt da ein flaues Gefühl im Magen. Ich muss es abschütteln, so wie Taylor Swift. Shake it off. Aber ich versinke immer mehr in Gedanken. Denke zurück an die letzten Wochen. Daran, dass meine Freundin und ich aneinander vorbei reden und uns falsch verstehen. Daran, dass ich meine Mutter ohne Grund angemeckert habe, weil ich überfordert und verzweifelt war. Daran, dass ich meiner Schwester zu wenig zeige, wie sehr ich sie eigentlich mag. Und auch wenn sich das Missverständnis wieder klärt, ich mich bei meiner Mutter für mein unmögliches Verhalten entschuldige und meine Schwester ganz dolle drücke und ihr sage, wie lieb ich sie habe, bleibt da immer noch dieses flaue Gefühl. Und ich versinke immer mehr in Gedanken.
Selbst wenn alles gut läuft und man sich eigentlich nicht beschweren kann, kommt da immer mal wieder der Moment, in dem man innerlich zusammenbricht. Ein kleiner Stoß und schon fällt die Wand. Aber ich wehre mich. Ich erlaube mir mich für ein paar Stunden schlecht und ausgelaugt zu fühlen. Aber dann genieße ich das Leben wieder. Ich lasse mich nicht von meinen unbegründeten, schlechten Gedanken runterziehen. Ich befolge Barneys Rat: „When I get sad, I stop being sad and be awesome instead.“
Genauso mache ich es heute. Ich trinke einen warmen Tee, kuschel mich für ein paar Stunden in meine Decke und lese etwas. Aber heute Abend habe ich wieder Spaß, gehe raus und mache mich schick. Weil ich’s kann. Und es will.
Frankie
21 September
Was für ein toller Post!
Ich war von dem Titel so angetan, dass ich dachte du listet vielleicht jetzt wissenschaftliche Erkenntniss auf, warum wir Menschen überhaupt denken. Keine Ahnung warum ich das dachte, habe es einfach angenommen :D Aber so überraschter war ich dann von deinem Text und diesem flauen Gefühl. Ich kenne das selbst nur zu gut.
Wenn bei mir immer was passiert, sagen wir mal mich guckt einer irgendwie schief an oder ich werde doof angemotzt – was eben mal vorkommt, dann kreisen sich auch die Gedanken. Bei Streit ist es sogar so schlimm, dass meine Gedanken selbst nachts keine Ruhe geben. Ich schlafe zwar irgendwann ein, aber die Gedanken geben keine Ruhe. Wache ich am nächsten Tag auf, geht das Gedankenkarussell weiter. Denn oft frage ich mich einfach, wie ich mich entschuldigen soll oder wie ich mich rechtfertigen soll für mein Handeln usw. Da spiele ich gedanklich lauter Worte und Szenarien ab… und das ist einfach nur grausam! Wenn wiederum alles geklärt ist, kreisen die Gedanken dennoch weiter. Wie zum Beispiel: „Wie sieht mich dieser jenige jetzt? Als schlechten Menschen?“ Meine Gedanken sind dann immer etwas absurd, aber so bin ich nunmal. Jeder grübelt. Über so viele Dinge. Wäre toll, wenn man einen „Ausschaltknopf“ hätte :)
Liebe Grüße!
Vita
21 September
Liebe Frankie,
danke für deinen tollen Kommentar!
Falls du den Ausschaltknopf findest, sag mir Bescheid! Ich will nicht wissen, wie viel Schlaf mir durch das viele Denken schon geraubt wurde!
Liebe Grüße,
Vita
Doris
21 September
Wow, toller Text und so wahr! Ich kenne das auch nur zu gut und frage mich dann immer, ob nur ich so schlimm bin und mir immer das schlimmste ausmale und über alles viel zu viel nachdenke, weil mein Freund eigentlich immer nur den Kopf schüttelt darüber. Aber schön zu hören, dass es auch anderen so geht ;-)
Anna Sofie
21 September
Ich kann das von dir irgendwie gut nachvollziehen. Es gibt diese Tage, da denkt man alles „tot“.
Ich habe kurz vor meinem Jobwechsel Stunden damit verbracht darübr nachzudenken, ob es die richtige Entscheidung, der richtige Job, die richtige Stadt etc. ist. Eigentlich totaler Blödsinn. Ich habe es mir in meinem Kopf schon so schlecht geredet, dass ich selbst gar keine Lust mehr darauf hatte.
Und nun ist alles echt toll hier und das ganze denken war, welche Überraschung, totale Verschwendung. Klar hätte es in anderen Städten vielleicht noch andere Jobs gegeben, aber man muss sich ja auch irgendwann mal entscheiden und vielleicht hätte ich dort genauso viel darüber nachgedacht;D.
Und nun zu dem was DU eigentlich geschrieben hast: wenn mir etwas (in meinen Augen) schlimmes passiert, mich Gäste anmeckern, ich Streit habe… dann denke ich auch darüber oft nach. Was hätte ich anders machen oder sagen können? Meistens fallen mir gerade wenn es um blöde Gäste oder Streits dann die besten kontersprüche ein, nur leider viel zu spät;).
Steff von Frollein Berlin
25 September
Sehr sehr schöner Text (und tolles Bloglayout, mal so nebenbei) – zu viel Nachdenken, das kenne ich auch gut. Momentan kriege ich beim Sport den Kopf relativ schnell frei, das hilft mir oft.
Lea
29 September
Super Post und sehr toll geschrieben!
Ich kann mich damit identifizieren und finde es mutig und schoen, dass du solche Gedanken in deinem Blog teilst.
Gerade wenn man eine neue Lebensphase anfaengt, sollte man weniger gruebeln sondern einfach das Leben voll auskosten und jeden Moment so nehmen wie er kommt :)